Flüssigluftspeicher statt Pumpspeicher - Wege zu einem autarken Landkreis
Wege zu einem autarken Landkreis
Flüssigluftspeicher und Wasserstoffproduktion als Alternativen aufgezeigt
Von Theresia Wildfeuer
Ruderting. „Das Pumpspeicherkraftwerk Riedl ist ökologisch nicht vertretbar.“ Das hat Toni Schwarz, ehemaliger Montage- und Inbetriebnahmeleiter der Linde Group München, beim Bürgerenergiestammtisch im Gasthaus Billinger in Sittenberg unter dem Thema „Luftverflüssigung und Wasserstoffproduktion statt Pumpspeicherkraftwerk“ ausgeführt.
Eine Alternative sah er in Flüssig-Luft-Energiespeichern mit Wasserstoffproduktion. Auf der Fläche des Speichersees für das Pumpspeicher-KW Riedl könnten zwölf Flüssigluftspeicher mit einer Gesamtleistung von 2400 MWh stehen und bei integrierter Nutzung von Ökostrom 192000 Tonnen Wasserstoff (H2) erzeugen. „Damit wäre der Landkreis Passau autark“, sagte Schwarz.
Statt der Energie-, Verkehrs- und Agrarwende gebe es aufgrund des Kriegs in der Ukraine und der dadurch verursachten Energie- und Hungerkrise eine „Wende rückwärts“ hin zu weiterer Klimaerwärmung und Erderhitzung, kritisierte Johannes Schmidt von der KLB, die zu den Veranstaltern des BESt zählt, einem Aktionsbündnis zur Energiewende. „Kohlekraftwerke sollen wieder ans Netz und Kernkraftwerke länger laufen“, bedauerte Schmidt. Es räche sich die Verschlafenheit der Politik und Wirtschaft, aber auch der Verbraucher.
Derzeit laufe das Genehmigungsverfahren für das Pumpspeicher-KW Riedl. Dieses sei umstritten, weil Landwirten die Enteignung drohe, mit dem Speichersee ein großer Eingriff in die Landschaft verbunden sei, mit der Wasserentnahme und Rückführung die Flussökologie der Donau zerstört werde und diese Speichertechnologie als nicht sehr effizient und veraltet gelte.
Eine umweltverträglichere, effizientere Lösung zeige Praktiker Toni Schwarz, der beruflich in diesem Arbeitsfeld weltweit unterwegs war. Priorität für eine funktionierende Energiewende habe das Einsparen von Energie sowie der Ausbau der Windkraft und Photovoltaik, sagte Schwarz vor rund 30 Teilnehmern. Das Pumpspeicher-KW Riedl bei Jochenstein, das einen Wirkungsgrad von 50 bis 80 Prozent aufweise, sei kein geeigneter Beitrag. Als Grund nannte er den hohen Flächenverbrauch. Für den geplanten Speichersee mit einem Volumen von 4,2 Millionen cbm, einer Leistung von zwei Mal 150 MW und einer Kapazität von 3500 MWh werde eine Fläche von 30 Hektar benötigt. Bei Teillast sinke der Wirkungsgrad der Pumpturbine zudem auf 53 Prozent.
Als Alternative tauge ein Flüssig-Luft-Energiespeicher mit Wasserstoffproduktion, um die Energie aus den Erneuerbaren in den Mittagsspitzen abzuspeichern, schilderte Schwarz. Für eine 1,4 GWh-Anlage bei einem Volumen von 10000 cbm, einer Leistung von zwei Mal 60 MW und einem Flüssig-Luft-Speicher mit einer Kapazität von 1400 MWh benötige man nur eine Fläche von rund einem Hektar. Der Wirkungsgrad des Abwärmespeichers liege bei 60 bis 70 Prozent. Dies bedeute, „es gibt keine größeren Eingriffe in die Landschaft“, versicherte Schwarz. Die Speicher seien frei skalierbar. Ihre Lebensdauer betrage mindestens 30 Jahre. In Verbindung mit „Power to X-Systemen“ könne der Strom auch als Wasserstoff in flüssiger Form für die Wintermonate produziert und gespeichert werden. Die Technologien seien erprobt.
Die Luftverflüssigung sei ein Verfahren zur Gastrennung, das Carl von Linde vor 130 Jahren entwickelte, erläuterte Schwarz. Luft sei kein „billiger Energieträger“, denn die Verdichterarbeit ende teils als Wärme und diese sei ohne Wärmerückgewinnung und Ausnutzung verloren. Durch Nutzung der Abwärme für die Wiederverstromung mit dezentraler Wasserstofferzeugung könne deshalb bis zu 70 Prozent Wirkungsgrad erreicht werden. Weitere Effizienz in einem Flüssig-Luft-Energie-Speicher werde durch industrielle Nutzung der Druckluft erreicht.
Kurz- und mittelfristig würden daher dezentrale „Insellösungen“ mit einem Flüssig-Luft-Energie-Speicher und einer Produktion von 100 Prozent grünem Wasserstoff bei Betrieb der Anlage mit Ökostrom eine attraktivere Alternative für die schnelle CO2- Neutralität bieten, sagte Schwarz. Wasserstoff-Überschüsse könnten in einem Heizkessel für die Wärmeversorgung, etwa in Papierfabriken oder Sägewerken eingesetzt werden. Auch eine grüne dezentrale Energieversorgung in Landkreisen sei möglich.
„Warum soll ein Landkreis den komplexen Weg über die eigene Wasserstoffproduktion wählen?“, fragte er. Bei Sonnenschein und Wind sei der Strom direkt und mit einem Wirkungsgrad von 99 Prozent nutzbar. Aufgrund der flukturierenden Verfügbarkeit von grünem Strom je nach Wetter und Jahreszeit sei ein zusätzlicher CO2-neutraler Energieträger notwendig. Wasserstoff sei mit höherer Energiedichte günstiger speicherbar. Hybride Prozesswärmekonzepte würden daher an Attraktivität gewinnen.
Nach einem Faktenpapier der Gemeinde Ruderting benötige jeder Bürger im Landkreis Passau 33000 kWh Energie. Aus 50000 kWh grünem Strom könne eine Tonne Wasserstoff erzeugt werden, die 33333 kWh Energie entspreche. Das bedeute, „dass 193500 Einwohner im Landkreis Passau mit 193500 Tonnen Wasserstoff autark sind“, rechnete Schwarz vor. Auf der Fläche des Speichersees Riedl könnten zwölf Flüssigluftspeicher mit einer Gesamtleistung von 2400 MWh und integrierter Wasserstoffproduktion bis zu 192000 Tonnen Wasserstoff erzeugen. Für die Wasserstoffgewinnung seien drei große Windräder je Gemeinde notwendig.
Schwarz präsentierte weitere Modelle von „Energie-Terminals“ für Städte und Gemeinden, zum Beispiel mittels Kraftwärmekopplung der neueren Art mit Elektrolyseur und Flüssig-Luft-Speicher.
Josef Pauli vom Veranstalterteam riet in der regen Diskussion, sich zusammenzutun, um gemeinsam Wasserstoff zu produzieren. Karl Haberzettl, Kreisvorsitzender des Bund Naturschutz, forderte, dem Pumpspeicher-KW Riedl eine Absage zu erteilen. Der Nutzen für die Allgemeinheit sei gering, der Flächenverbrauch in Bayern jetzt schon enorm.