Nachhaltige Bodenbearbeitung als Thema bei der Veranstaltung des BUND Naturschutz
Der stellvertretende Kreisvorsitzende Martin Stockmeier freute sich besonders über den unerwartet guten Besuch. Nicht nur eigene Mitglieder, sondern auch viele Imker und Bäuerinnen und Bauern folgten der Einladung zu dieser Auftaktveranstaltung der Naturschützer für die Veranstaltungsreihe „Nachhaltige Landnutzung“ 2023. Es sei nicht selbstverständlich, dass für eine Veranstaltung des BUND so viele Menschen und gerade besonders viele aus der Landwirtschaft Interesse zeigen, darunter die Kreisbäuerin des Bayerischen Bauernverbands Renate Stöckl, Landwirt und Kreisrat Johann Meier, Biobauer Karl Tutsch von der Katholischen Landvolkbewegung, Josef Lindinger als Vertreter des Bauernvereins Bad Griesbach und Alois Egger als
Vertreter des Bauernvereins Weng. Das Interesse der Gäste galt natürlich nicht nur alleine dem Naturschutz, sondern wohl eher dem ambitionierten Format dieser Veranstaltung, gleichzeitig zwei Bodenexperten, sowohl aus dem konventionellen, als auch aus dem biologischen Landbau einzuladen. „Die Idee zu diesem Programm hatten meine Kollegin Helgard Gillitzer und mein Kollege Andy Schmid bei der Erstellung unseres Jahresprogramms. Mit den beiden Vorträgen wollen wir nicht die Gegensätze zwischen „konventioneller“ und „biologischer“ Betriebsweisen, sondern die Gemeinsamkeiten für die Förderung und Gesundung unserer Böden herausstellen“, so Martin Stockmeier in seiner Überleitung zu den beiden Vorträgen des Abends.
Die wirtschaftlichen und ökologischen Anforderungen an die Landwirte in der heutigen Zeit sind gewaltig. Unkalkulierbarer Klimawandel mit Extremen wie Trockenheit und Starkregenereignisse zwingt sie dazu, ihre Methoden neu zu überdenken. Wie kann Wasser in Böden und Vegetation gespeichert werden, um das gesamte Öko- System widerstandsfähiger und nachhaltiger zu machen? Und wie lässt sich Bodenfruchtbarkeit aufbauen und gleichzeitig die Biodiversität erhöhen? Über diese Herausforderungen berichteten die beiden Bodenexperten Landwirtschaftsmeister und Agrarbetriebswirt Christian Fuchsgruber aus Falkenberg im Rottal und Dipl- Ing. Hermann Pennwieser, Biobauer aus der Schwand bei Braunau a. Inn.
Christian Fuchsgruber führt einen konventionellen Ackerbaubetrieb mit Schweinemast im Nebenerwerb. Im Hauptberuf ist er im Agrar - Umwelt - Team der BBV LandSiedlung GmbH tätig. Seit 2003 befasst er sich weitgehend mit der konservierenden und pfluglosen Bodenbearbeitung. 2012 hat er seinen kompletten Betrieb auf diese bodenschonenden Methoden umgestellt. Die Eingangsfrage zu seinem Vortrag „Stehen intensive Landwirtschaft und gesunder Boden im Widerspruch?“, beantwortete Christian Fuchsgruber mit einem klaren und entschiedenen Nein. Allerdings muss man dabei auch neue Wege gehen und über den eigenen Tellerrand blicken, um sich fachlich entsprechend weiterzuentwickeln. Der Biolandbau zeige, dass es funktioniere. Besonderen Wert legt Fuchsgruber bei seiner Arbeit auf die richtige Bodengare. Als Bodengare wird der Idealzustand eines fruchtbaren Bodens bezeichnet, der eine optimale physikalische, chemische undbiologische Beschaffenheit des Mutterbodens, der Ackerkrume aufweist. Ein garer Boden enthält viele kleinere und mittlere poröse Hohlräume, die wie ein Schwamm Niederschläge aufsaugen und Überschüsse an das Grundwasser abgeben. Das Wasser bleibt dabei auf der Fläche und wird nicht mit dem wertvollen Humus vom Acker abgeschwemmt, wie man leider vielerorts bei Starkregen beobachten könne. Die Frostgare, die einen offenen Oberboden durch Frost krümelig macht, und die Bearbeitungsgare, bei der man versucht, verdichteten oder verkrusteten Boden mit mechanischen Maßnahmen wie pflügen zu lockern, bezeichnet Fuchsgruber als Scheingaren, die nur kurzfristigen Bestand hätten und den Anschein eines garen, krümeligen Bodens vermitteln, jedoch nicht wasserstabil seien. Echte Garen sind die Schattengare und die Lebendverbauung, die den Mikroorganismen und den Regenwürmern kontinuierlich organische Nahrung bereitstellen, um den wertvollen Mutterboden, zum Einem als Nährhumus mit einer schnellen Verfügbarkeit von Mineralstoffen für die nachwachsende Ackerkultur und zum Anderem als langsame Entwicklung zu einem C02 speichernden Dauerhumus dient.
Besonders großen Wert legt Fuchsgruber auf eine ausgewogene Fruchtfolgenreihe, wobei Mais auf Weizen für ihn keine sinnvolle Fruchtfolge darstellt. Wann immer die Möglichkeit besteht, sind Zwischenfrüchte anzubauen. Dabei haben ausgewogene Zwischenfruchtmischungen und der optimale Saatzeitpunkt nicht nur eine gute Wirkung auf die Bodengare und die Tiefe der Durchwurzelung, sondern auch auf die Biodiversität. Der gleichzeitige Anbau von Hauptkulturen im Gemenge mit Nebenkulturen wird künftig mehr an Bedeutung gewinnen Der Boden soll vor der Aussaat und nach der Ernte niemals
längere Zeit offen liegen, sondern durch Begrünung oder Mulchen vor Austrocknung geschützt werden. Die Ernterückstände bleiben gut verteilt auf dem Feld. Der Zwischenfruchtumbruch erfolgt mit dem Grubber mit angelegten Flügelscharen, die die Wurzeln der Zwischenfrüchte flach abschneiden. Somit entsteht Mulch, der den Bodenlebewesen wie den Regenwürmern organische Nahrung liefert und die Folgesaat der Hauptfrucht beim Wachstum unterstützt. Bei der konservierenden Bodenbearbeitung gilt: Soviel wie nötig und so wenig wie möglich. Das zentrale Element ist die Fruchtfolge, die auch den Einsatz von Wirtschaftsdünger zu einem sinnvollen Zeitpunkt ermöglicht, in Verbindung mit Zwischenfrüchten wie Stickstoff bildenden Leguminosen und tiefwurzelnden Pflanzen, die zu einer lockeren Ackerkrume beitragen. Nicht zu vergessen sind die vielen Lebewesen im Boden wie die Regenwürmer und andere, die letztlich den gesunden und fruchtbaren Boden erzeugen. Das wichtigste Werkzeug ist daher für den Bodenpraktiker Christian Fuchsgruber der Spaten und als Indikator für einen gesunden und fruchtbaren Boden die Anzahl der Regenwürmer. Vieles vom Beobachten bis zur Beurteilung guter Böden hat Fuchsgruber auf einem Seminar für Bodenpraktiker gelernt. Sein damaliger Lehrer war Hermann Pennwieser, Biobauer und Bodenpraktiker aus dem oberösterreichischen Innviertel. Der von Pennwieser entwickelte Bodenkoffer für Landwirte, zur chemischen und physikalischen Analyse von Böden, ist auf Initiative von Christian Fuchsgruber auch im Rottal vielfach im praktischen Einsatz. Somit schloss sich der Kreis zum zweiten Vortrag des Abends: „Am Boden bleiben- Der lebendige Organismus Boden als Grundlage unserer Gesundheit und unserer Hochkultur“. Hermann Pennwieser, Dipl.- Agraringenieur aus dem Innviertel, ist Biopionier, Bodenforscher und Praktiker. Seit den 80er Jahren beschäftigt er sich mit dem Biolandbau, der Bodenfruchtbarkeit und Nachhaltigkeit. Schon früh durfte er Alternativen zur herkömmlichen Landwirtschaft auf dem elterlichen Hof ausprobieren, nach und nach überzeugte er davon auch seinen Vater, bis 1988 der Hof auf Biolandwirtschaft umgestellt wurde, den heute Hermann Pennwieser mit seiner Familie als biologischen Schweinemast- und Ackerbaubetrieb im Vollerwerb bewirtschaftet. Als Wissenschaftler und zugleich Praktiker und Fachberater betrachtet er seinen Hof als Betrieb mit eigener Entwicklungsabteilung, um immer wieder neue Ideen oder fast vergessene Anbaumethoden im Experiment auszuprobieren und bis zur praktischen Anwendung zu entwickeln. Die Wunderwelt „Boden“ vergleicht Pennwieser mit dem Immunsystem des Menschen. Je stabiler dieses ist, desto weniger bedarf es zusätzlicher „Medikamente“ zur Gesunderhaltung. Der Schlüssel zu hoher Bodenfruchtbarkeit und folglich zu hohen Erträgen ist, möglichst viele Lebewesen im Boden zu haben: Mikroorganismen, Bodentiere, Pilze und Bakterien. Mit zahlreichen, unter dem Mikroskop gemachten Aufnahmen wurde der Vortrag zu einer auch optisch faszinierenden Reise in eine Wunderwelt, in den überaus lebendigen Mikrokosmos des Bodens mit Lebewesen, die von einer anderen Welt zu sein scheinen. Er zeigte den mikroskopisch kleinen Borstenwurm, als würde er einen anlachen, ein außerirdisch wirkendes Bärtierchen und einen Springschwanz, der zusammengekuschelt den kalten Winter übersteht und im Frühjahr zu neuem Leben erwacht. Dazu Pilzgeflechte, sogenannter Mykorrhiza - Pilze, welche in Lebensgemeinschaft mit den Wurzeln der Pflanzen den Boden bis in feinste Poren durchwachsen, Nährstoffe aufschließen und auch das Bodengefüge stabilisieren sowie Bakterien, die Nährstoffe wieder im Tonmaterial der Böden einlagern können. Der Kreislauf der organischen Stoffe ist einer der Schlüsselbereiche unseres Lebens. Da bei der Verrottung die organischen Stoffe nicht gänzlich mineralisiert werden, sonst gäbe es ja keinen Humus, sondern Teile ehemaliger Zellen, bzw. Eiweißverbindungen mit Tonmaterialen und Huminstoffen verkittet werden, bleibt auch deren Energie und Information erhalten und wird auf den Boden übertragen. Je nach Düngung und Ernährung der Pflanzen kommen unterschiedliche solcher Eiweißbausteine in die Lebensmittel und haben entscheidenden Einfluss auf unsere Gesundheit. Hippokrates sagte schon vor zweieinhalbtausend Jahren: „Eure Nahrungsmittel sollen eure Heilmittel und eure Heilmittel sollen eure Nahrungsmittel sein“, so Hermann Pennwieser zum Kreislauf des Lebens.
Im Rückblick auf die Geschichte zeige sich: Hochkulturen entwickeln sich immer dort, wo fruchtbarer Boden so viel und so gesunde „Lebens- Mittel hervorbringt, dass neben der täglichen Nahrungssuche genügend Zeit für andere Tätigkeiten bleibt. Im Gegensatz zu unserem exponentiell wachstumsorientierten Wirtschaftssystem funktioniert die Natur in Regelkreisen, welche beispielweise Bodenlebewesen in einem Wechselspiel zwischen Wachstum und Schrumpfung im Gleichgewicht halten. Diese Fähigkeit der Selbstregulation, Resilienz genannt, sollte uns ein Vorbild in der nachhaltigen Landbewirtschaftung sein. Die Agrarpolitik der letzten Jahrzehnte habe uns eine der größten schlummernden Bomben beschert, und zwar in Form der immer schwereren Maschinen. Die dadurch verursachten Bodenverdichtungen verringern Fruchtbarkeit und Grundwasserneubildung und verstärken Hochwasser. Die Brisanz liege in der Unterbodenverdichtung, denn hier zählten keine breiteren und größeren Reifen, sondern es käme alleine auf das Gewicht an. Wir brauchen in der Agrarpolitik einen Paradigmenwechsel weg von landwirtschaftlich - industriellen Großbetrieben hin zu einer kleinstrukturierten Landwirtschaft der Vielfalt, die in Kreisläufen wirtschaftet. Dieser würde leichtere Maschinen, einen kleineren ökologischen Fußabdruck und eine zunehmende Qualität und Vielfalt regionaler Lebensmittel fördern. Ein abschließender Rückblick in die Geschichte lehre: Die Menschheit hat immer dann den Kurs gewechselt, wenn entweder der Leidensdruck zu groß wurde oder wenn Einsicht eingesetzt hat. Hermann Pennwieser wünscht sich Letzteres. In der anschließenden Diskussion mit den Referenten konnte das Publikum eigene Ideen einbringen und Fachtipps von den beiden Landwirten und Bodenpraktikern einholen, die sich dafür, auch in Einzelgesprächen, viel Zeit nahmen.
Verfasser: Martin Stockmeier
10 Empfehlungen zur Bodenbearbeitung
Hermann Pennwieser 2018
1. Sein lassen: Fruchtbarer Boden ist ein lebendiges Gewebe, das wie unser Körper über einen dynamisch fließenden Stoffwechsel, über Selbstregulation und Kommunikation seinen hohen Ordnungszustand aufrechterhält. Die beste Bearbeitung wird vom Edaphon durchgeführt. Die Bodenlebewesen durchmischen, durchlüften, verdauen, verkleben und aggregieren die Erde auf unnachahmlich geniale Weise. Und wir haben kein einziges Gerät, das vertikal arbeitet und dabei lüftet und drainagiert – das können nur die Regenwürmer.
2. Sich einfügen: Je besser diese Lebenskraft und Pufferfähigkeit des Bodens - vergleichbar mit unserem Immunsystem, desto weniger ist von Bedeutung, welche Geräte verwendet werden und umgekehrt. Entscheidend sind eine vielfältige Pflanzengesellschaft aus Haupt- und Zwischenfrüchten sowie Beikräutern, insbesondere deren Wurzelausbildung sowie ein geschlossener organischer Stoffkreislauf. Die immer stärker werdende Technik sollte uns nicht dazu verführen, die Natur und den Boden „in den Griff“ bekommen zu wollen.
3. Zuwendung: Huminstoffe sind eiweißartige Verbindungen. Und neueste Forschungen belegen, daß Eiweiß durch Wellen von Licht oder Musik in seiner Form und Funktionalität verändert werden kann. Auch Pflanzen und Bodentiere reagieren hochsensibel auf verschiedenste Umweltreize. Deshalb ist auch beim Boden - so wie bei uns Menschen - nicht nur eine gute Versorgung mit Licht, Luft, Wasser, Wärme und Nährstoffen lebensnotwendig, sondern auch Zuwendung, Kommunikation und Empathie. In wenigen Jahren werden auf unseren Feldern autonome Roboter wie jetzt schon am Rasen herumfahren. Wir sollten uns Regeln und Grenzen für deren Einsatz überlegen, damit nicht aus einem möglichen Segen ein Fluch wird wie bei jenen Kindern, die anstatt Zuwendung zu erfahren nur mit digitalem Spielzeug ruhiggestellt werden.
4. Technische Vielfalt: Je einseitiger die mechanischen Eingriffe in den Boden, desto einseitiger kommt auch die Gegenreaktion der Natur. Beispielsweise selektiert man bei vorrangig flacher Bearbeitung andere Beikräuter und Mikroorganismengesellschaften als bei tiefer oder wendender Bearbeitung. Abwechslung bei der Verwendung von Geräten erhöht auch hier die Vielfalt.
5. „In der Gare bleiben“: Der Boden sollte immer nur so tief und so intensiv bearbeitet werden, daß die oberste, biologisch aktivste Zone nicht zerstört oder in sauerstoffarme Bereiche vergraben wird. Je stabiler die Krümel und je tiefer diese aktive Garezone mit entsprechend hohem Luftporenanteil entwickelt ist, desto tiefer kann gearbeitet werden, ohne die Schichtung zu verändern.
6. Krümelschonend arbeiten: Entscheidend für schonendes Arbeiten ist weniger die Menge an bewegtem Bodenvolumen als vielmehr die Belastung der Krümel durch die Auftreffgeschwindigkeit der Werkzeuge. Humusabbau durch Bearbeitung findet in erster Linie im Mikrobereich statt, wo Ton-Humus-Komplexe mechanisch aufgebrochen und die in ihnen gespeicherten organischen Stoffe mineralisiert werden.
7. Homogen arbeiten: Bei der Einarbeitung organischer Stoffe ist sehr wichtig, diese gut zerkleinert gleichmäßig einzumischen, um eine möglichst große Kontaktfläche zur Erde und seinen Lebewesen herzustellen. Je tiefer die Einarbeitung, desto wichtiger ist dies. Ansonsten entstehen im Boden sauerstoffarme Zonen, aus denen Stickstoff ausgegast wird und in denen Fäulnis entsteht.
8. Richtigen Zeitpunkt wählen: Vor maschineller Bearbeitung sollte man immer mit dem Spaten aufgraben, den Boden „begreifen“ und Feuchtigkeit, Temperatur sowie Geruch mit den Sinnen beurteilen. Es ist nicht möglich, aus der Traktorkabine heraus oder mithilfe neuartiger Sensoren stimmige Entscheidungen zur schonendsten Bodenbewegung zu treffen.
9. Verdichtungen vermeiden: Nur bei ausreichend trockenem Boden können Bodenverdichtungen und Scherungen (Verschmierung) vermieden werden. Zudem werden die massiven Auswirkungen zu schwerer Maschinen auf den Unterboden unterschätzt. Hier unten nützen auch keine breiteren Reifen, es zählt nur das Gewicht. Und da sich der Klimawandel mit seinen Extremwetterereignissen dramatisch beschleunigt, werden zukünftig nur wieder kleiner werdende Betriebe mit leichter Technik und großer Flexibilität in der Bearbeitung die Lebensmittelproduktion aufrechterhalten können.
10. Lebendverbauung nach Bearbeitung: Jede Bodenbearbeitung ist eine Verletzung der natürlichen Haut der Erde, die zum Heilen Zeit und Pflege braucht. Je schneller der Boden wieder begrünt und durchwurzelt wird, desto besser ist die Regenerations- und Ertragskraft
Zwei Bodenexperten referieren bei der Veranstaltung des Bund Naturschutz über konventionelle und biologische Möglichkeiten
Ruhstorf. Nachhaltige Bodenbearbeitung war das Thema einer Veranstaltung des Bund Naturschutz, Kreisverband Passau, im Gasthaus Hölzlwimmer in Kleeberg bei Ruhstorf. Stellvertretender Kreisvorsitzender Martin Stockmeier freute sich besonders über den unerwartet guten Besuch.
Nicht nur eigene Mitglieder, sondern auch viele Imker, Bäuerinnen und Bauern waren der Einladung zu dieser Auftaktveranstaltung der Reihe „Nachhaltige Landnutzung“ 2023 gefolgt. Das Interesse der Gäste galt natürlich nicht nur alleine dem Naturschutz, sondern wohl eher dem ambitionierten Format dieser Veranstaltung, gleichzeitig zwei Bodenexperten, sowohl aus dem konventionellen, als auch aus dem biologischen Landbau, einzuladen. Anzahl der Regenwürmerals Qualitätskriterium „Mit den beiden Vorträgen wollen wir nicht die Gegensätze zwischen konventioneller und biologischer Betriebsweise, sondern die Gemeinsamkeiten für die Förderung und Gesundung unserer Böden herausstellen“, so Martin Stockmeier in seiner Überleitung zu den beiden Vorträgen. Die wirtschaftlichen und ökologischen Anforderungen an die Landwirte in der heutigen Zeit sind gewaltig. Unkalkulierbarer Klimawandel mit Extremen wie Trockenheit und Starkregenereignisse zwingt sie dazu, ihre Methoden neu zu überdenken. Wie kann Wasser in Böden und Vegetation gespeichert werden, um das gesamte Ökosystem widerstandsfähiger und nachhaltiger zu machen? Und wie lässt sich Bodenfruchtbarkeit aufbauen und Die besten Wege zu fruchtbaren Böden gleichzeitig die Biodiversität erhöhen? Über diese Herausforderungen berichteten die beiden Bodenexperten Landwirtschaftsmeister und Agrarbetriebswirt Christian Fuchsgruber aus Falkenberg im Rottal und Dipl- Ing. Hermann Pennwieser, Biobauer aus der Schwand bei Braunau am Inn. Christian Fuchsgruber führt einen konventionellen Ackerbaubetrieb mit Schweinemast im Nebenerwerb. Im Hauptberuf ist er im Agrar-Umwelt-Team der BBV LandSiedlung GmbH tätig. Seit 2003 befasst er sich weitgehend mit der konservierenden und pfluglosen Bodenbearbeitung. 2012 hat er seinen kompletten Betrieb auf diese bodenschonenden Methoden umgestellt. Die Eingangsfrage zu seinem Vortrag „Stehen intensive Landwirtschaft und gesunder Boden im Widerspruch?“ beantwortete Christian Fuchsgruber mit einem klaren und entschiedenen Nein. Allerdings müsse man dabei auch neue Wege gehen und über den eigenen Tellerrand blicken, um sich fachlich entsprechend weiterzuentwickeln.Der Biolandbau zeige, dass es funktioniere. Besonderen Wert legt Fuchsgruber bei seiner Arbeit auf die richtige Bodengare. Als Bodengare wird der Idealzustand eines fruchtbaren Bodens bezeichnet, der eine optimale physikalische, chemische und biologische Beschaffenheit des Mutterbodens, der Ackerkrume aufweist. Ein garer Boden enthalte viele kleinere und mittlere poröse Hohlräume, die wie ein Schwamm Niederschläge aufsauge und Überschüsse an das Grundwasser abgebe. Das Wasser bleibe dabei auf der Fläche und werde nicht mit dem wertvollen Humus vom Acker abgeschwemmt, wie man leider vielerorts bei Starkregen beobachten könne. Besonders wichtig ist Fuchsgruber auch eine ausgewogene Fruchtfolgenreihe, wobei Mais auf Weizen für ihn keine sinnvolle Fruchtfolge darstellt. Wann immer die Möglichkeit bestehe, seien Zwischenfrüchte anzubauen. Dabei hätten ausgewogene Zwischenfruchtmischungen und der optimale Saatzeitpunkt nicht nur eine gute Wirkung auf die Bodengare und die Tiefe der Durchwurzelung,sondern auch auf die Biodiversität. Das wichtigste Werkzeug ist für den Bodenpraktiker Christian Fuchsgruber der Spaten und als Indikator für einen gesunden und fruchtbaren Boden die Anzahl der Regenwürmer. Somit schloss sich der Kreis zum zweiten Vortrag des Abends: „Am Boden bleiben – der lebendige Organismus Boden als Grundlage unserer Gesundheit und unserer Hochkultur“. Hermann Pennwieser, Dipl.-Agraringenieur aus dem Innviertel, ist Biopionier, Bodenforscher und Praktiker. Seit den 80er Jahren beschäftigt er sich mit dem Biolandbau, der Bodenfruchtbarkeit und Nachhaltigkeit.
Schon früh durfte er Alternativen zur herkömmlichen Landwirtschaft auf dem elterlichen Hof ausprobieren, nach und nach überzeugte er davon auch seinen Vater, bis 1988 der Hof auf Biolandwirtschaft umgestellt wurde, den heute Hermann Pennwieser mit seiner Familie als biologischen Schweinemast- und Ackerbaubetrieb im Vollerwerb bewirtschaftet. Die Wunderwelt Boden vergleicht Pennwieser mit dem Immunsystem des Menschen. Je stabiler dieses sei, desto weniger bedürfe es zusätzlicher Medikamente zur Gesunderhaltung. Der Schlüssel zu hoher Bodenfruchtbarkeit und folglich zu hohen Erträgen sei, möglichst viele Lebewesen im Boden zu haben: Mikroorganismen, Bodentiere, Pilze und Bakterien. Mit zahlreichen, unter dem Mikroskop gemachten Aufnahmen wurde der Vortrag zu einer auch optisch faszinierenden Reise in eine Wunderwelt, in den überaus lebendigen Mikrokosmos des Bodens mit Lebewesen, die von einer anderen Welt zu sein scheinen. Paradigmenwechsel in der Agrarwirtschaft gefordert. Er zeigte den mikroskopisch kleinen Borstenwurm, ein außerirdisch wirkendes Bärtierchen und einen Springschwanz. Dazu Pilzgeflechte, welche in Lebensgemeinschaft mit den Wurzeln der Pflanzen den Boden bis in feinste Poren durchwachsen. Der Kreislauf der organischen Stoffe sei einer der Schlüsselbereiche unseres Lebens.ImGegensatz zu unserem exponentiell wachstumsorientierten funktioniere die Natur in Regelkreisen, welche beispielsweise Bodenlebewesen in einem Wechselspiel zwischen Wachstum und Schrumpfung im Gleichgewicht hielten. „Wir brauchen in der Agrarpolitik einen Paradigmenwechsel weg von landwirtschaftlich- industriellen Großbetrieben hin zu einer kleinstrukturierten Landwirtschaft der Vielfalt, die in Kreisläufen wirtschaftet“, so Pennwieser. − red