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08.07.2016 - PNP - "Das wird ein Streitfall werden"

Planfeststellungsverfahren: Unterlagen für Pumpspeicherkraftwerk Riedl liegen ab heute aus – Einwendungen bis 22. August möglich 
von Gudrun Wanninger

Riedl. Schlafende Hunde weckt man nicht, mag sich manch einer gedacht haben, wenn er durch die Idylle zwischen Riedl und Gottsdorf spaziert ist und an die Querelen um das geplante Pumpspeicherkraftwerk dachte. Fast zwei Jahre lang war von dem Mammut-Projekt kaum noch was zu hören gewesen, doch jetzt geht die Planung in eine neue Runde. Die Donaukraftwerk Jochenstein AG hat für den Energiespeicher Riedl die Durchführung des Planfeststellungsverfahrens beantragt.

Tausende Seiten in 80 AktenordnernDie Unterlagen für Ostbayerns wohl größtes Bauprojekt liegen auf dem Tisch – beziehungsweise reihen sich in etwa 80 Ordnern auf tausenden von Seiten aneinander. Einsehen kann man die Planunterlagen von 8. Juli bis zum 8. August in den Rathäusern in Untergriesbach, Obernzell, Thyrnau und Passau sowie in 16 österreichischen Nachbargemeinden und dem Amt der oberösterreichischen Landesregierung sowie auf der Homepage des Landratsamtes Passau (www.landkreis-passau.de).

Es geht um ein 350-Millionen-Euro-Projekt. Geplant ist die Anlage eines Speichersees mit einer Fläche von 24 Hektar zwischen Gottsdorf und Riedl. Über einen unterirdischen Triebwasserweg soll die hydraulische Verbindung zur Donau hergestellt werden. Ist zu viel Strom vorhanden, würde Wasser den Berg hinauf gepumpt und im See gespeichert. Bei Strombedarf würde das Wasser wieder abgelassen und dabei Strom erzeugt.

Obwohl die derzeitige Lage auf dem Energiemarkt nicht für das Großprojekt spricht, will die österreichische Verbund AG eine Genehmigung des Baus erreichen. Dass ein möglicher positiver Bescheid dann nicht unbedingt gleich einen Baubeginn nach sich ziehen würde, bestätigt Projektleiter Dominik Mayr: "Die Energiewirtschaft ist derzeit in einer schwierigen Situation", sagt er. "Vor einem Baubeschluss müssen wir die Wirtschaftlichkeit des Projektes bewerten." Derzeit aber sei das problematisch. "Aus heutiger Sicht würde man einen Baubeschluss nicht fällen können", sagt Mayr. Hat man aber den positiven Bescheid erst einmal in der Tasche, bleibt der fünf Jahre gültig. Das bestätigte das Landratsamt auf Nachfrage.

Doch der Weg bis zu einer Entscheidung – ob positiv oder negativ – bleibt steinig. Die Interessengemeinschaft gegen das Pumpspeicherkraftwerk und der Bund Naturschutz haben anlässlich der Auslegung der Planunterlagen und des Beginns der Einwendungsfrist ihren Widerstand bekräftigt.

So hat das Planfeststellungsverfahren Christian Schmid auf den Plan gerufen, der Sprecher der Interessengemeinschaft RIGOJO (für Riedl, Gottsdorf, Jochenstein) gegen das Pumpspeicherwerk ist. Der Kampf gegen die Riedl-Pläne hat in seiner Familie Tradition. Schon Schmids Vater stemmte sich in den 70er Jahren gegen dasselbe Vorhaben. "Wir werden uns mit allen rechtsstaatlich erlaubten Mitteln wehren", sagt Schmid, der in Riedl eine Pension betreibt. "Wir sind bereit, den Kampf aufzunehmen – die Mammutaufgabe, dieses Projekt abzuwenden, will ich nicht an meine Kinder weitergeben."

Für die geplante Fläche des Oberbeckens oberhalb der Ortschaft Riedl fehlen der Verbund AG noch Grundstücke. Doch auch vor möglichen Enteignungsverfahren habe er keine Angst, betont Schmid. "Wir werden dagegen klagen, dann werden wir schon sehen, ob es ein höherrangiges Interesse gibt." Es hätten nach wie vor neun private Grundstücksbesitzer und beispielsweise die Kirche nicht verkauft, entnimmt Schmid den Planungsunterlagen.

Bis zum 22. August können Einwände gegen das Projekt "Energiespeicher Riedl" vorgebracht werden. "Jeder, dessen Belange durch das Vorhaben berührt werden, kann (...) Einwendungen gegen das Vorhaben erheben", heißt es in der öffentlichen Bekanntmachung. Schmid hat sich bereits informiert. Nur mit persönlichem Briefkopf und Unterschrift sei eine Einwendung gültig, vorgebracht werden könne nur, wovon man persönlich betroffen ist.

Schmid kritisiert mangelnde Information von Seiten des Landratsamtes. Viele der dann Betroffenen – beispielsweise auch was die Mega-Baustelle und die Verkehrswege dorthin angeht – wüssten möglicherweise gar nichts davon. Er vergleicht es mit der Planung des Pumpspeicherkraftwerks Atdorf in Baden-Württemberg. Dort habe das Landratsamt den Bürgern Hilfestellung bei der Orientierung in den Unterlagen und eine Info-Veranstaltung angeboten. Außerdem sei die Auslegung aufgrund der komplexen Materie verlängert worden. Schmid kritisiert, dass es vom Landratsamt Passau in dieser Hinsicht keinerlei Entgegenkommen gebe. Im Gegenteil: Auslegung und Frist für die Einwendungen seien in die Sommerferien gelegt worden. "Das ist Kalkül", sagt Schmid. "Im August wollen die Leute in Urlaub fahren und nicht Einwendungen schreiben." Projektsprechstunden für die Bürger will allerdings die Verbund AG in Jochenstein anbieten, kündigt Projektleiter Mayr an.

Um die naturschutzrechtlichen Einwendungen wird sich der Bund Naturschutz kümmern. "Die meisten haben ja gemeint, das ist längst gestorben", sagt Karl Haberzettl, Kreisvorsitzender des Bund Naturschutzes. Man werde den naturschutzfachlichen Teil überprüfen lassen, auch von Fachleuten außerhalb des Bund Naturschutz. "Wenn die Genehmigung kommt, werden wir dagegen vorgehen", kündigt Haberzettl an. "Mit gesundem Menschenverstand kommt man hier nicht mehr weiter – nur noch mit Juristerei." Der BN werde sich hier keinen Lapsus erlauben. "Wir geben uns da keine Blöße, das wird ein Streitfall werden", sagt er.