Wer lebt schon gerne in einem Steinbruch?
Streitthema Schottergärten: Anwohner nach Aufschüttung eines Vorgartens außer sich – Bund Naturschutz fordert Verbot
Von Lukas Götz
„Ein Umweltverbrechen“ sei das, was vor Rolf Frommelts Wohnung in Passau-Neustift geschehen ist. Er meint damit einen Schottergarten. Diese sind längst kein neues Phänomen mehr, dafür aber hochumstritten. In einigen Bundesländern sind die Regularien für das Anlegen eines Gartens aus Steinen bereits angezogen, in Baden-Württemberg sind sie seit 2020 landesweit verboten. Diese Möglichkeit gibt es auch in Bayern, zwar nicht landesweit, aber die Städte und Kommunen haben den Handlungsspielraum die grauen Gärten zu verbieten. In Passau ist das bislang nicht der Fall, was für Unmut sorgt. Bei Naturschützern und natürlich bei Rolf Frommelt.
Den Vorgarten in eine Steinwüste verwandelt
Man habe den bepflanzten Grünstreifen vor dem Mehrfamilienhaus in eine Steinwüste verwandelt, erzählt der langjährige Mieter Rolf Frommelt der PNP. „Das hat hier die letzten 15 bis 20 Jahre super funktioniert. Der Hausmeister hat sich bisher immer um die Pflanzen gekümmert“, erzählt Frommelt. „Und jetzt sind sie angerückt, haben erst eine Folie ausgelegt und dann den Streifen, etwa 50 Quadratmeter, mit Steinen zugeschüttet. Für Frommelt ein Umweltverbrechen: „Wie sollen denn die Pflanzen und Tiere da überleben? Denken Sie, hier kommt jemals wieder ein Regenwurm raus? Noch blüht es hier, aber auf Dauer ist das hier zum Tode verurteilt, denn ich denke mit Gartenpflege war es das jetzt hier“, sagt er.
Die Aktion passe für ihn nicht zu den aktuellen Themen in der Politik: „Jeden Tag lese und höre ich von umweltbewussterem Leben und dann passiert hier so was.“ Ein Vorbild könne sich die Stadt Passau und die Hausverwaltung an Nordrhein-Westfalen nehmen: Dort seien die ungeliebten Gärten bereits in einigen Städten verboten, weiß Frommelt.
Tatsächlich wäre das auch in Passau möglich. Denn mit einer Novelle der Bayerischen Bauordnung aus dem Februar 2021 eröffnete der Freistaat den Städten und Kommunen die Möglichkeit, die Anlage von Stein- und Schottergräten zu verbieten. In Erlangen, Würzburg und Nürnberg wurde das umgesetzt. Warum nicht in Passau?
Keine Sonderregeln in Bebauungsplänen
OB-Sprecherin Maria Proske weist darauf hin, dass „in den Bebauungsplänen regelmäßig Passagen aufgenommen werden, die auf eine Herstellung von beispielsweise Gärten durch Rasen- oder Wiesenflächen hinweisen und grundsätzlich regeln, dass Grünflächen oder Gärten als Rasen oder Wiesenflächen herzustellen oder alternativ mit Bäumen, Sträuchern und Stauden zu bepflanzen sind.“ Gesonderte Regelungen bezüglich Schottergärten gebe es allerdings nicht.
Günter Weber, Vorstandsmitglied des Bund Naturschutz Passau und Landschaftsplaner, hat dafür kein Verständnis: „Wenn der Gesetzgeber diese Möglichkeit bietet, warum nutzt man sie dann nicht einfach aus?“, fragt er sich. Für ihn sei ein Verbot bei Neubauten der einzig logische Schluss. Denn die Gärten seien durch und durch lebensfeindlich für Pflanzen und Tiere, aber auch für den Menschen. Weber betont aber, dass ein Steingarten nicht gleich ein Schottergarten ist. „Es gibt durchaus die Möglichkeit, Steingärten auch schön und umweltfreundlich anzulegen. Aber diese einfallslosen Schottergärten, wo man alles mit Steinen zuschüttet, sind das Übelste.“ Er erklärt: „Neben der Schädlichkeit für die Biodiversität wirken sich diese Gärten auch negativ auf das Stadtklima aus. Die Steine heizen sich tagsüber auf und geben diese Hitze dann an die Umgebung ab. Das ist ein großes Problem für die Hitzeentwicklung in Städten.“
Das häufig angeführte Argument der Pflegeleichtigkeit lasse er auch nicht gelten, zumal es falsch sei: „Sie haben damit vielleicht zwei bis drei Jahre Ruhe, dann reichen die Materialeinträge von außen, beispielsweise fallendes Laub, schon aus, dass die ersten Pflanzen wieder Nährboden finden“, weiß Weber. Und auch die Folie, die sich oft unter den Steine findet, sei nicht für die Ewigkeit. Sobald diese brüchig werde, fänden auch hier die Pflanzen und das Unkraut wieder den Weg nach oben. „Da ist eine Wiese mit ein paar Sträuchern pflegeleichter“, meint er. Zumal ein grüner, lebendiger Garten seiner Meinung nach auch besser aussehe: „Ich frage mich bei solchen Schottergärten immer: Wer lebt denn schon gerne in einem Steinbruch?“