PNP | 22.02.2020 | Jäger und Waldbauern sind sich nicht grün
Private Waldbauern und BN kritisieren Jagdvereinsvorsitzenden Gerauer für seine Aussagen im PNP-Interview
Passau.Von Lukas Wagner. "Das ist Polemik auf höchster Ebene", ärgert sich Josef Zechmann, Waldbauer aus Straßkirchen. Er meint damit einige Aussagen von Ernst Gerauer, die der Vorsitzende des Passauer Jagdschutzvereins in einem PNP-Interview Anfang Februar geäußert hatte: Darin wirft er den Waldbauern und Förstern unter anderem vor, das Reh "wie Ungeziefer" zu behandeln, kritisiert die Waldbauern für ihren Fokus bei der Aufforstung auf die Fichte und übt Kritik an der Forderung nach mehr Wildabschüssen. Das möchten sowohl Zechmann als auch sein Waldbauern-Kollege Markus Zwicklbauer und Karl Haberzettl, Kreisvorsitzender des BN Passau, nicht so stehenlassen und halten nun dagegen.
Wichtig ist den Dreien vorneweg zu betonen, dass sie nicht alle Jäger in einen Topf werfen. "Aber es muss aufhören, dass der Teil der Jäger, der auf unsere Forderungen eingeht, diskriminiert wird", sagt Zechmann. Der 66-Jährige hat am Kindleinsberg inAussagen nur Stammtischparolen der Gemeinde Salzweg mehrere Waldstücke an den Abhängen zur Ilz mit einer Gesamtfläche von elf Hektar, die er seit 47 Jahren selbst bewirtschaftet. Mit den Aussagen von Ernst Gerauer können alle drei nichts anfangen: "Die strotzen vor Unwahrheiten", sagt Markus Zwicklbauer, das seien nur Stammtischparolen. Der ebenfalls 66-Jährige bewirtschaftet seit über 20 Jahren "in jeder freien Minute" ein 13,6 Hektar großes Waldstück in Ruhstorf–Buchet, an der Gemeindegrenze zu Fürstenzell. Früher habe das Waldstück überwiegend aus Fichten bestanden, heute sei die Baumart nur noch auf rund einem Hektar der Fläche zu finden. "Laubbäume wie Eiche, Esche und Birke und als Hauptbaumart der Bergahorn machen inzwischen den Großteil aus." Der Umbau des Grundstückes habe nach dem extrem trockenen Sommer 2003 begonnen.
"Man muss jetzt nun flächendeckend den Waldumbau und die Waldverjüngung voranbringen", fordert Zwicklbauer, da der Wald eine besondere Bedeutung für das Allgemeinwohl und das Ökosystem habe. Dem stehe ein Teil des Jagdwesens im Weg, das sich nicht an die Abmachungen halte: "Die Abschusszahlen stehen auf dem Papier, aber die überprüft niemand. Das beruht auf Treu und Glauben." Zwicklbauer spricht von "Papierabschüssen".
Das bestreitet Gerauer auf Nachfrage der PNP: "Das sind reine Vermutungen. Das ist so, als würde ich jemandem vorhalten, er fahre zweimal pro Woche betrunken."
Markus Zwicklbauer stört sich zudem an der Aussage Gerauers, dass die Waldbauern über die Abschusszahlen bestimmen würden: "In der Wirklichkeit haben die Waldbauern überhaupt nichts zu sagen, ich wurde dazu noch nie befragt." Josef Zechmann kritisiert zudem den Jagdbeirat im Landratsamt, der über die Höhe der Abschusszahlen entscheidet: "Dort sind Vertreter der Jäger und der Landwirtschaft, die selbst Jäger sind, die in der Überzahl sind, und keiner der Übrigen traut sich etwas zu sagen." Auch dieser Aussage widerspricht Ernst Gerauer: "Das stimmt insofern nicht, weil ich 20 Jahre im Jagdbeirat saß, dort haben wir Jäger nur eine Stimme. Der entscheidende Faktor beim Abschussplan ist das Vegetationsgutachten." So oder so, "man muss zu einer anderen Jagd kommen, um den Wald neu aufzubauen", sagt Zwicklbauer.
Karl Haberzettl erklärt, was aus der Sicht der Drei aktuell schief läuft: "Das Wild muss so kurz gehalten werden, damit der Wald aufwachsen kann. Wenn die Rehbestände zu hoch sind, dann kann sich der Wald nicht selbst verjüngen. Das Reh frisst nämlich selektiv, es verbeißt nicht die Fichten, sondern bevorzugt Laub- und Tannenbäume." Die seien jedoch inzwischen wichtig, da die Fichte durch den Klimawandel nicht mehr die geeignete Baumart für einen gesunden Wald sei. Zumindest in diesem Punkt sind alle Beteiligten einer Meinung.
"Bambi-Syndrom wird ausgespielt"Hier gibt sich Zwicklbauer zudem selbstkritisch: "Früher war der Wald die einzige Rohstoffquelle, deshalb wurde mit Fichten aufgeforstet, die schnell gewachsen sind und viel Holz gebracht haben. Das rächt sich jetzt durch den Klimawandel." Allerdings sei es aus seiner Sicht auch nicht möglich gewesen, wie Gerauer behaupte, schon früher den Waldumbau großflächig voranzubringen: "Weil der Rehbestand nicht reguliert wurde." Ähnlich sieht es Haberzettl: "Es wurden Fehler gemacht. Aber seit 40, 50 Jahren reden wir darüber, dass es nicht mehr so weitergeht. Die Jäger haben da nicht mitgemacht und sich entschieden ,Wild vor Wald‘." Dabei gelte laut Gesetz der Grundsatz "Wald vor Wild".
Strikt von sich weisen die Drei auch den Vorwurf, man sehe das Wild als Ungeziefer. "Keiner will das Rehwild ausrotten", sagt Haberzettl. Zwicklbauer findet, dass dies "eine rein plakative Aussage" Gerauers sei: "Wir fordern nicht den Rehwildabschuss aus Lust zum Töten, sondern zum Schutz des Waldes". Dass Gerauer bis heute ein schlechtes Gewissen habe, nachdem er ein Reh erlegt hatte, wie er im Interview sagte, will Zechmann nicht glauben: "Er drückt auf die Tränendrüse und spielt das Bambi-Syndrom aus", wirft er ihm vor. Gerauer sagt dazu nur so viel: "Wir jagen wald- und tierschutzgerecht und wollen anständig unseren Abschussplan umsetzen."
Auch Gerauers Kritik am Einsatz von Nachtsichtgeräten können die Waldbauern nicht nachvollziehen. "Wenn man als Jäger den Auftrag hat, Wildschweine zu erlegen, die nachtaktiv sind, dann sollte man die Möglichkeit nutzen dürfen, um nicht ins Blaue schießen zu müssen", meint Zwicklbauer. Für diesen Fall habe der Gesetzgeber entschieden, Nachtsichtgeräte zu erlauben. Auch Gerauer sei nicht generell gegen den Einsatz von Nachtsichtgeräte, erklärt er auf Nachfrage, allerdings sollten diese "nur in Gebieten mit Schwarzwild erlaubt" sein.
Zurück zum Rehwild: "Wenn Rehe mal ein bisschen einen Baum anbeißen, ist das nicht schlimm, aber in diesem Ausmaß geht es nicht", sagt Zwicklbauer. Ohnehin sieht er die Ursache der derzeitigen Situation in Fehlern, die bei der Jagd in der Vergangenheit begangen wurden. "Man hat große Beutegreifer wie Luchse oder Wölfe ausgerottet und das Gleichgewicht der Natur außer Kraft gesetzt." Gleichzeitig habe der Mensch die Funktion der natürlichen Feinde des Wildes nicht übernommen, wodurch eine natürliche Waldverjüngung durch den Verbiss des Wildes verhindert werde.
Viel Geld gespart durchrechtzeitiges HandelnMarkus Zwicklbauer legt Schätzungszahlen vor, laut denen man 30 Millionen Euro hätte sparen können, "wenn man von vorneherein den Wildbestand reguliert hätte". Im Landkreis Passau gebe es 3500 Hektar Kahlschlag-Fläche, von denen 2000 Hektar Totalausfall durch Verbiss seien. Laut Zwicklbauer müsste man pro Hektar rund 15000 Euro zur Wiederaufforstung investieren, unter anderem für die Räumung der Fläche und deren Bepflanzung. Er fasst das Dilemma der Waldbauern aus seiner Sicht zusammen: "Man hat riesen Probleme, sich weiter zu motivieren, weil Sturmschäden und der Borkenkäfer viel kaputtmachen. Das kann man nicht verhindern, aber mit dem Verbiss und der Wildproblematik kommt eine überflüssige Front dazu, die leicht zu ändern wäre."
Eine gemeinsame Lösung der Situation erscheint derzeit schwierig: "Den Appell, dass man Walbesitzer und Jäger an einen Tisch bringt, hört man seit Jahren, das ist eine schöne Wunschvorstellung. Die Waldbesitzer betteln, und es passiert nichts", sagt Zwicklbauer. Auch Gerauer weiß: "Leider Gottes ist die Situation angespannt." Doch er sieht eine Einigung im Bereich des Möglichen: "Ich bin schon der Meinung, dass eine gemeinsame Lösung gefunden werden kann."