PNP |25.02.2020 | Blick in den Abgrund
Überzeugender Gastredner Prof. Schellnhuber beim 40. Bürgerforum-Jubiläum – 600 Zuhörer
Vilshofen. Von Gesine Hirtler-Rieger. Ein Geburtstagsgast, der warnt, dass der Klima-Notstand längst eingetreten ist: Keine leichte Kost war das, was Prof. Dr. Hans Joachim Schellnhuber am Sonntagabend im vollbesetzten Atrium den 600 Zuhörern vorsetzte. Wissenschaftlich fundiert stellte der weltbekannte Klimaforscher, der am Gymnasium Vilshofen vor rund 50 Jahren sein Abitur ablegte, dem Zustand der Erde ein alarmierendes Zeugnis aus: "Wir haben drei Jahrzehnte mit Nichtstun verschwendet und blicken nun in den Abgrund." Er machte klar, dass diese Erkenntnis zum Handeln beflügeln muss.
Sehr sachlich legte er wissenschaftliche Tatsachen auf den Tisch: Das Klima-Endspiel hat begonnen. Anhand von Diagrammen zeigte er den weltweit steilen Anstieg der globalen Mitteltemperatur. Trauriger Höhepunkt: am 9. Februar wurde in der Antarktis die Temperaturspitze von über 20 Grad gemessen. Zusammenhänge seien unbestritten, so der Referent. Die verheerenden Hochwässer 2019 in Venedig stünden etwa in direktem Zusammenhang mit der Erwärmung der Arktis.
Aber auch die Rekordtemperatur, die die Ozeane erreicht haben, beunruhigen den Wissenschaftler: "Die Erwärmung der Weltmeere entspricht der Energie von fünf Hiroshima-Bomben – je Sekunde." Dies und das schwankende Starkwindband des Jetstreams werde extreme Wetterereignisse hervorbringen. Für den Fall, dass die Eismassen Grönlands abschmelzen würden, müsse man mit einem Anstieg des Meeresspiegels um sieben Meter rechnen.
Wenn sich die Weltbevölkerung dem nicht mit aller Kraft entgegenstelle, dann würden Teile Südostasiens, Südamerikas und Afrikas unbewohnbar. Großstädte wie Mumbai, Bangkok und Jakarta würden mit tödlicher Gewissheit untergehen, zwei Milliarden Flüchtlingen würden eine neue Heimat suchen: "Eine Herausforderung, die unsere Zivilisation unmöglich schaffen kann!", warnte Schellnhuber.
Ein Schlüssel ist für Schellnhuber die komplette Dekarbonisierung bis 2050 – also die Erzeugung und Nutzung von Energie weltweit so zu organisieren, dass kein CO2 mehr in die Atmosphäre gelangt. Ein Ding der Unmöglichkeit? Nein, meinte Schellnhuber und mahnte einen schnellen Kohleausstieg in Deutschland an. Das derzeit geplante Ziel von 2038 sei viel zu spät, europaweit liege Deutschland damit weit hinten.
Anlass zu resignieren, so eine Frage aus dem Publikum, sieht Schellnhuber dennoch nicht. "Denken Sie an Ihre Kinder", sagte der Wissenschaftler, dessen jüngster Sohn zwölf ist. "Wir haben es verbockt, aber das gibt uns kein Recht, uns zurückzulehnen!" Noch bestehe eine Chance, und diese müsse ergriffen werden.
Am Ende gab es viel Applaus für den Gastredner, den das Bürgerforum Umwelt und der Bund Naturschutz gemeinsam in die alte Heimat geholt hatten. Der Diskussionsbedarf war groß, zahlreiche Besucher suchten hinterher das Gespräch mit dem Physiker, der in Ortenburg aufgewachsen ist. Schellnhuber freute sich insbesondere, auch seine ehemaligen Lehrer wiederzusehen.